Vor kurzem hat Netflix in Deutschland mit “Supergirl” sein Angebot im inzwischen sehr unübersichtlichen DC-Serien-Universum erweitert und endlich flimmert mal wieder eine weibliche Superheldin über meinen Bildschirm. Wie schon bei “Jessica Jones”, die man vielleicht als Supergirls Marvel-Cousine unter den Serien bezeichnen könnte, sind auch in der Geschichte um Kara Zor-El starke und interessante Frauenfiguren omnipräsent.
Ihre Chefin, die ein Medienimperium leitet, ihre Schwester Alex, eine Wissenschaftlerin und Regierungs-Agentin, ihre Mutter Alura, die zwar zum Zeitpunkt der Handlung schon lange tot ist, deren Erbe aber einen guten Teil des Konflikts der ersten Staffel stiftet, und nicht zuletzt Aluras Zwillingsschwester Astra. Ganz zu schweigen von Nebenfiguren wie Lucy Lane, der Senatorin Miranda Crane oder dem Umstand, dass in der “Supergirl”-Version unserer Welt die Präsidentin der USA eine Frau ist. Das alles ist cool, auch weil für mich diese Art von Rollenverteilung immer wieder frischen Wind in die Welt der Superhelden-Filmen und -Serien bringt, die sich für mich sonst meistens irgendwo zwischen “beim Putzen guckbar” und “angestaubt” bewegen.
Ich mag auch Kara als Heldin, auch wenn sie immer mal wieder Kritik einstecken muss, weil sie hübsch, unerfahren und im Minirock nicht ganz dem Archetyp einer “starken Frauenfigur” entspricht. Tatsächlich schätze ich Kara aus demselben Grund wie ich Jessica in “Jessica Jones” schätze: Sie kämpft mit ihrer Rolle als Heldin, zweifelt, macht Fehler. Ihr werden trotz ihrer Heldinnen-Rolle Schwächen zugestanden, sie ist vielleicht Kryptonierin, aber nicht perfekt, und das ist schön. Deshalb brechen mir Kommentare darüber, Kara sei keine “starke” Figur auch ein bisschen das Herz. Zugegeben, die Serie bedient ein Stück weit einfach oberflächlich die Wünsche einer Zielgruppe, die sich nach weiblichen Superhelden sehnt. Dazu werden ein paar Phrasen fallen gelassen, die niemandem weh tun, aber bei dieser Zielgruppe gut ankommen dürften, und zwei Folgen später kommt Superman um die Ecke geflogen und rettet seine Cousine, was die Bedeutung dieser Phrasen direkt wieder nichtig macht.
“Stark” ist, wer perfekt ist?
Es bricht mir auch deshalb das Herz, weil Kara nicht die erste oder einzige dieser Figuren ist, die für mich nur an zu einfachen Definitionen für “starke Heldinnen” scheitern. Sansa Stark hat in “Game of Thrones” erst ab dem Punkt für weite Begeisterung bei vielen Fans gesorgt, als sie ihre brutale Seite zu entdecken begann, weil sie vorher zu wehrlos und schwach wirkte. Dass Sansa, ein junges Mädchen, ein Kind, nach dem Tod ihres Vaters am Königshof durch die Hölle geht und überlebt, zählte lange nicht. Ihre Schwester Arya, die seit der ersten Staffel meines Erachtens keine vergleichbare Entwicklung durchgemacht hat, dagegen ist allseits beliebt dafür, dass sie schlicht ein Schwert in die Hand nehmen kann und will. Ähnlich ging es mir im Übrigen auch bei “Dishonored 2”, das – gerade im Vergleich mit seinem Vorgänger – für seine Frauen gelobt wurde, während aber gleichzeitig weder Emily eigentlich keine interessante Figur ist. Emily ist einfach von ihrem Vater trainiert worden, sie kann kämpfen und hat in ihrer Kindheit ein paar unruhige Wochen während des Putsches erlebt, der im ersten Teil der Reihe stattfand. Ohne Frage, Emily ist durchaus cool, aber ich wüsste nicht, was sie zu etwas Besonderem machen sollte.
Schwestern im Scheinwerferlicht
Dazu kommt, dass “Supergirl” etwas sehr prominent ausspielt, das für mich innerhalb des Superhelden-Genre viel zu oft untergeht: Die Beziehungen zwischen Schwestern. Zum einen hat Kara, von der immer wieder betont wird, dass sie viel Kraft aus den Beziehungen zu ihren Liebsten zieht, mit Alex eine menschliche Adoptivschwester und es vergeht kaum eine Folge, in der die tiefe Bindung der Schwestern nicht zum Thema wird, und zum anderen ist es auch ganz interessant, wie in den immer wieder eingestreuten Rückblenden die Beziehung zwischen Karas Mutter Alura und ihrer Zwillingsschwester Astra dargestellt wird. Relativ bald erfahren Kara und mit ihr auch die Zuschauerin, dass Alura und Astra sich wegen eines Streits überworfen haben, in dem es um Wege ging, ihren Heimatplaneten Krypton zu retten. Anders als das, was mich z.B. in “Riverdale” gestört hat, kommt ihr Streit nicht aus dem Nichts oder ist plump auf etwas herunter zu brechen, was man auch als “Zickereien unter Schwestern” bezeichnen könnte, sondern ist darin begründet, dass es um Leben und Tod geht. Es wird auch in eben diesen Rückblenden nicht gezeigt, dass sich Alura und Astra auch ohne diesen sehr konkreten Streitpunkt nicht mögen würden, ganz im Gegenteil. Astras enge Bindung zu Kara und die damit verbundenen Rückblenden könnte man auch so interpretieren, dass es ohne diesen Konflikt keine größeren Probleme unter den Schwestern gegeben hätte.
Das ist ein Detail, aber ein ganz Schönes. Denn machen wir uns nichts vor: “Supergirl” ist leichte Unterhaltung. Darin ist keine geheime feministische Botschaft verborgen und es ist auch nicht sonderlich tiefschürfend. Nur vielleicht ist “Supergirl” auch ein schöner Schritt in die richtige Richtung für die Frauen im Superheldengenre. Die Serie ist nicht so radikal wie z.B. “Jessica Jones” oder Kara so betont stark wie Peggy in “Agent Carter”, sondern der Stil ist insgesamt deutlich leichter und banaler. Vielleicht, nur vielleicht, werden starke und interessante Frauenfiguren und ihre Beziehungen ja doch noch genau das: Banal und normal statt der Ausnahme, die immer wieder betont werden muss. (Lasst mich, ich darf auch mal träumen.)
Artikelbild: “Marvel and DC’s Greatest Women” von “leafaye” (CC BY 3.0) ; Quelle: http://leafaye.deviantart.com/art/Marvel-and-DC-s-Greatest-Women-585405415
7 Comments
Nornengestöber und Künstlerinnen – Nornennetz
15. Juli 2018 at 9:20[…] sind wir nicht immer nur begeistert. Darum legen wir euch Aurelias Beitrag zu „Supergirl“ sehr ans Herz, der sich kritisch mit der Frage beschäftigt, ob diese […]
Bratphoenchen of the Week #13: Über zockende Soldaten, musikalische Fantasy und Videospiele gegen Demenz – Fried Phoenix
4. Mai 2018 at 13:05[…] Ist „Supergirl“ ein gutes Zeichen für Frauen im Superheldengenre? […]
Geekgeflüster
18. Juni 2017 at 19:37Nein, umwerfend ist die erste Staffel nicht, allerdings fand ich auch bisher noch keine Staffel einer Superheldenserie (außer Jessica Jones) besonders gut. Kann man schon mal gucken, nach ein paar Folgen ist es für mich dann aber auch immer wieder gut. 😉
Geekgeflüster
18. Juni 2017 at 18:52Erstmal danke für das Kompliment 🙂 Gegen eine klassische Badass-Frauenfigur ist ja auch nichts zu sagen, mir tut es aber immer in der Seele weh, wenn Figuren wie Kara oder Sansa deshalb im Umkehrschluss sofort als “schwach” gelabelt werden. Es sind einfach unterschiedliche Konzepte von Stärke, die Existenz des einen macht das andere ja nicht schlechter.
Serena Halen
18. Juni 2017 at 18:52Die erste Staffel von Supergirl gefiel mir persönlich nicht besonders gut. Schlecht war sie nicht, aber eben auch nicht herausragend. Meiner Meinung nach hat sich Supergirl allerdings mit der zweiten Staffel ihren Platz im DC Serienuniversum verdient.
Bratphoenchen of the Week #13: Über zockende Soldaten, musikalische Fantasy und Videospiele gegen Demenz | Fried Phoenix
18. Juni 2017 at 18:05[…] Ist „Supergirl“ ein gutes Zeichen für Frauen im Superheldengenre? […]
juliawunderland
18. Juni 2017 at 12:21Sehr schöner Artikel! Stark sind Frauen wohl wirklich erst, wenn sie körperlich stark genug sind um sich zu wehren. Das stört mich auch sehr oft. Viele wollen eine Frau als Badass-Charakter. Sie zeigt charakterliche Stärke? Zählt nicht, immerhin kann sie nicht mit einem Schwert umgehen. Ausserdem muss besagte Badass Frau auch gut dabei aussehen, am besten vorher die Frisur richten und dann im Kampf alle niedermetzeln. Kann man so machen, bringt aber nicht viel.
Ich habe Wonder Woman noch nicht gesehen, bin aber sehr gespannt auf den Film. Wahrscheinlich gehe ich ihn nächstes Wochenende schauen. Mal sehen, was ich davon halten werde
Liebe Grüsse
Julia