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“Riverdale” und warum wir über die Mütter und Töchter darin reden müssen

19. März 2017
Geekgeflüster Film & TV

Foto: “Katja Jakob” / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by) http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/deed.de

Etwas Mystery, ein wenig Drama und ein Erzähler aus dem Off. Wenn die Serie “Riverdale” eins ist, dann ein klein wenig over the top, auch wenn das nicht zwingend etwas Schlechtes ist. Die Serie wird als ein Roman erzählt, den Jughead, einer der Protagonisten, über das Städtchen Riverdale und die Geheimnisse um Jason Blossoms Tod schreibt, und vor diesem Hintergrund passt dieser etwas überzogene und verdichtete Stil wieder. “Riverdale” beschreibt so einfach eine Erzählung innerhalb einer Erzählung, das ist hier schlicht doppelt inszeniert und doppelt dramatisiert. Aktuell ist die Mystery-Serie nach den ersten sieben Folgen der ersten Staffel in eine kleine Pause gegangen und damit ist der Zeitpunkt perfekt, einmal ein paar Dinge daraus anzusprechen. Ganz besonders, weil sich mehr und mehr Lob für die Frauenfiguren darin zu häufen scheint.

Mädels an die Macht

Etwas, das mir an “Riverdale” gefällt, ist, wie die Serie im Umgang mit seinen Teenager-Protagonistinnen mit vergleichbaren Filmen und Serien bricht. Gerade Veronica und Betty haben ihre Stärken und Schwächen, sind aber beide eigenständige und selbstbewusste Mädchen. Über Veronica wird so zum Beispiel auf sehr offensichtliche Weise das Thema slut-shaming adressiert und kritisiert, aber dasselbe Muster äußert sich auch deutlich subtiler allein dadurch, dass Betty, die mehr oder weniger dem Typ eines “braven Mädchens” entspricht, vielleicht nicht so laut und auffällig wie Veronica ist, aber dennoch nicht in eine klischeehafte Rolle eines Mauerblümchens gedrängt wird. Betty ist anders als Veronica, aber das ist okay. Es steht weder ihrer Freundschaft im Wege noch dem, dass die beiden sich als unabhängige Figuren mal miteinander und mal alleine entwickeln. Selbst Cheryl Blossom, die von ihrem ersten Auftritt an ein Label auf der Stirn zu tragen scheint, das sie als Schulzicke ausweist, bekommt ihre starken wie schwachen Momente, wodurch auch bei ihr mit dem Klischee gebrochen wird, das für sie Pate stand. Diese Kleinigkeiten sind es, die die Mädels von “Riverdale” denen aus den meisten anderen High School-Geschichten voraus haben. Und das ist erst einmal verdammt cool.

Trotzdem bin ich einen gewissen bitteren Beigeschmack beim Gucken nicht ganz los geworden und damit nicht so richtig auf den Hype-Train aufgesprungen, der aktuell durch meine Timeline rauscht. Denn so toll ich die Mädels auch finde, genauso katastrophal bedient “Riverdale” ein anderes Klischee, das ganz besonders in den Beziehungen der Mädchen zu ihren Müttern deutlich wird.

Mütter und Töchter passen einfach nicht zusammen

In “Riverdale” hat keine einzige der Kernfiguren eine gesunde Beziehung zu ihrer Mutter. Die Mütter von Cheryl und Betty hassen sich nicht nur, sondern sind auch unglaublich kaltherzig, manipulativ und schlicht grausam zu ihren Töchtern, Josies Mutter setzt ihre Tochter auf überzogene Weise unter Druck und Veronica und ihre Mutter führen zwar eine oberflächlich halbwegs gute Beziehung, die allerdings auch immer wieder gehörig bröckelt.

Das Problem dabei sind nicht die kaputten Familien – denn Konflikt zwischen Figuren erzeugt nun einmal Story und die komplizierten Eltern-Kind-Beziehungen in “Riverdale” bieten einiges an Stoff dafür – sondern ihre Ursachen. Sowohl Betty als auch Cheryl haben sehr dominante Mütter, deren Ehemänner in mehr als einer Szene mehr Anhang als eigenständige Figur wirken. Ganz besonders im Fall von Bettys Mutter, die sich immer wieder in das Leben ihrer Tochter einmischt, sie belügt und ihr Banalitäten wie den Kontakt zu ihrer (angeblich?) psychisch kranken Schwester Polly verbietet, treten mit beiden Frauen immer wieder übermäßig autoritäre und bevormundende Mütter auf, die ihre eigene Wirkung nach außen und die Fehde zwischen den beiden Familien über das Wohl und den Willen ihrer Kinder stellen. Der Konflikt ist – anders als z.B. zwischen Jughead und seinem Vater – rein über Luxusprobleme, Arroganz und unbedeutende Befindlichkeiten der jeweiligen Mutter definiert. Überspitzt formuliert: Zwei “Zicken” machen ihren Töchtern das Leben schwer.

Josies Mutter ist im Vergleich dazu eine abgeschwächte Form, auch weil sie weniger Zeit onscreen verbringt, funktioniert aber nach demselben Prinzip. Sie ist eine erfolgreiche Politikerin und Bürgermeisterin in Riverdale, verheiratet mit einem offenbar ebenfalls erfolgreichen Musiker und genauso tough wie ehrgeizig. Josie, die sich in einem ähnlich selbstbewussten Licht wie ihre Mutter gibt, wird von der zwar nicht so grausam behandelt wie Betty oder Cheryl von ihren Müttern, dafür aber in Bezug auf ihre Musik und ihre Band unter Druck gesetzt. Der Grund: Josies Mutter scheut den Konflikt mit ihrem sehr kritischen Ehemann, der von dem Musikstil der Band seiner Tochter nichts hält. Und wieder ist der Konflikt nicht über konkrete Probleme definiert, sondern über emotionale Unreife, die sich in Seitenhieben zwischen Mutter und Tochter äußern.

Veronica und ihre Mutter Hermione stechen aus diesem Muster ein wenig heraus, weil ihr Konflikt ein paar Folgen braucht, um überhaupt aufzutauchen: Eigentlich verstehen sich die beiden nach außen wie im Privaten gut, womit sie unter den Hauptfiguren erst einmal alleine sind, aber auch ihre Beziehung kippt recht bald. Weil Veronicas Vater, ein reicher Geschäftsmann, wegen Betrugs in Gefängnis musste, hat die Familie ihr reiches Vermögen verloren und Mutter und Tochter müssen in Riverdale ein deutlich bescheideneres Leben führen. Für Hermione bedeutet das auch, dass sie arbeiten und irgendwie sich und ihre Tochter über die Runden bringen muss. Der Konflikt zwischen Veronica und ihrer Mutter entzündet sich in dieser Situation daran, dass Hermione eine neue Beziehung beginnt, was für Veronica unvorstellbar ist. Dazu gesellen sich schnell weitere Probleme, die allerdings nach einem ähnlichen Muster gestrickt sind: Veronica ist aufgrund von banalen Befindlichkeiten wütend und ergeht sie sich in Sticheleien und bockigem Verhalten. Die Spannung zwischen Mutter und Tochter äußert und befeuert sich durch viele kleine Konfliktherde, durch Banalitäten und einem unterschwelligen Machtkampf in der Beziehung der beiden. Das Ergebnis ist dasselbe wie bei den anderen Mädchen auch: Es wird die Geschichte eines Zickenkrieges erzählt.

Frauen können einfach nicht miteinander befreundet sein?

Das Problem mit diesem Muster ist dieses: Während “Riverdale” eine Reihe von High School-Klischees abwandelt, bedient es hier ein anderes auf ganzer Linie. Nämlich das, dass (starke) Frauen nicht befreundet sein könnten.

Mädchen? Natürlich, die brauchen sogar eher den Sidekick der besten Freundin, mit der sie über Jungs quatschen können. Frauen, also unabhängige, erwachsene Wesen? Schwieriger. In diesen Fällen gibt es plötzlich nur noch eine unangefochtene Königin, die nichts und niemand von ihrem Thron stoßen kann, darf oder sollte. Und wenn zwei dieser Figuren im Raum sind, dann gibt es Krieg. Das äußert sich in “Riverdale” am Konflikt und ganz besonders den verbalen Schlagabtäuschen zwischen den Müttern von Cheryl und Betty genauso wie in den Konflikten der beiden Frauen mit ihren Töchtern. Sowohl Cheryl als auch Betty stecken als gerade erwachsen werdende Teenager in einer Phase, in der sie selbstbewusster werden, aber jeder Anflug von Konkurrenz wird von ihren Müttern hart bekämpft. Im Gegensatz dazu bestehen die Probleme, die Jughead und Archie mit ihren Vätern haben, aus deutlich handfesteren Problemen wie Arbeitslosigkeit oder Zukunftsängsten. Ihre Probleme sind deutlich konkreter und basieren nicht auf einem Konkurrenzkampf oder dem Treten nach unten durch den Teil der Beziehung, der im Augenblick die Oberhand hat.

“Riverdale” bedient hier eine lange Tradition an Erzählungen, dass es zwischen zwei starken Frauen automatisch zum Krach kommen muss, der noch dazu “nur” in einem Konkurrenzkampf begründet ist. Es kann nur eine Königin, nur eine Stärkere, geben. Koexistenz? Unmöglich. Vielleicht kriegen sich jetzt nicht mehr das “brave Mädchen” und die “Schulzicke” in die Haare, das Ergebnis und damit die Botschaft bleibt dieselbe. Und seien wir ehrlich: Diese Botschaft ist vielleicht nicht neu, aber trotzdem genauso traurig.

 

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    Über mich und diesen Blog

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    Aurelia Brandenburg - Historikerin und Bloggerin. Ich beschäftige mich meisten mit Mittelalter, Digital Humanities und Game Studies, nicht zwingend immer in dieser Reihenfolge. Auf Geekgeflüster schreibe ich seit 2012 über Popkultur, inzwischen oft aus einer feministischen Perspektive und manchmal auch über Popkultur und Geschichte, insbesondere Popkultur und Mittelalterrezeption. Außerdem schreibe ich auch für Language at Play. Auf Twitter findet man mich als @hekabeohnename.


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