Achtung, hier kommt ein Post mit einem kleinen Rattenschwanz der Vorgeschichte. Vor zwei Wochen schrieb Caterina Kristen von Schöne Seiten im Börsenblatt einen kleinen Artikel mit ein paar Gedanken zu Literaturbloggern und Missverständnissen in der Außenwahrnehmung derselben. Quintessenz war im Grunde, dass Blogger nicht wie “professionelle” Literaturkritiker sind und auch nicht so gesehen werden wollen. Darauf folgte wiederum harsche Kritik an Literaturblogs von Thomas Wörtche, der die fehlende Qualität mancher Blogs anhand des Beispiels der Krimibloggerin Krimimimi bemängelt. Auf leseloop ging danach sogar noch ein Post mit No-Gos bei Rezensionen online, der mich zuletzt komplett irritiert hat.
Warum? Weil ich den gewissen literarischen Snobismus, der bei dieser Diskussion mitzuschwingen scheint, nicht nachvollziehen kann. Denn ich werde das Gefühl nicht los, dass bei dieser Debatte Literatur und Literaturkritik als etwas Exklusives und Sagenumwobenes gehandelt werden. Etwas Heiliges, das es zu schützen gilt. Da ist die Rede davon, dass Blogger oft nicht genügend qualifiziert seien, um eine fundierte Meinung zu den zu rezensierenden Büchern loswerden zu können, dass da ja alles professionell laufen soll und muss. Da wird aus Details wie der fehlenden Erwähnung von Übersetzern (etwas, worüber man natürlich diskutieren kann, ohne Frage) der Fauxpas des Jahrhunderts gemacht und suggeriert, dass Verlage sich positive Bewertungen mit Rezensionsexemplaren an Blogger erkaufen würden.
Nennt mich naiv oder denkt, dass ich im Irrtum bin, aber in den fast fünf Jahren, die ich mich inzwischen in der Buchbloggingszene (sowohl lesender als auch schreibender Weise) herum treibe, habe ich einiges davon komplett anders wahrgenommen.
Was gilt als “professionell” und wollen wir (als Bücherblogger) das wirklich sein?
So viel Herzigkeit und Tüddeldüüü der vielen Lesestübchen, Kistchen und Kästchen für umme, gerade mal gegen ein Rezensionsexemplar, war noch nie (Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel), und eine Einschätzung, wie Bücher beim – reichlich fiktiven – Publikum ankommen mögen, bekommt man als Marktforschung auch noch gratis obendrauf. Zumal sehr viel profunde Kritik auch nicht zu befürchten ist.
– Thomas Wörtche, “Au weia, Mimi” (Post vom 16.05.15 auf culturmag.de; Stand: 27.05.15)
Für mich persönlich steckt allein diesem Abschnitt so viel, das mich sowohl an meinem Germanistikstudium als auch an den Feuilletons der großen Zeitungen und/oder ihren Online-Angeboten stört. Dieser gedankliche Ansatz setzt nämlich das voraus, was ich immer als eine Art von Snobismus wahrgenommen habe.
Nämlich der Ansatz, dass Literatur immer in Sprache und Story abgehoben und fast schon akademisch sein und genauso auch die dazugehörende Kritik funktionieren muss. Gedankliche Mechanismen, die es Autoren auch zum Vorwurf machen, wenn sie nicht der nächste Goethe sein wollen bzw. sind, sondern eindeutig triviale Vampirreihen schreiben, deren Handlung schon sehr bald an eine Soap erinnert. Mechanismen, die Selfpublisher grundsätzlich abschätzig beäugen, weil da jetzt ja plötzlich jeder seine Bücher bei amazon online stellen kann. Ansätze, die die Buchbranche exklusiv zu halten versuchen und die Offenheit, die das Internet zwangsweise bringt, eindämmen wollen.
Wenn diese Art der Literaturkritik, die ihre Daseinsberechtigung mit dem Vorbild von Autoren der Weltliteratur und mindestens einem abgeschlossenen Germanistikstudium hat, das ist, was “professionell” sein soll, dann will ich nicht professionell sein.
Ich liebe die Offenheit der Buchbloggingszene. Dass der 08/15-Vampirroman genauso wahrgenommen wird wie ein Anwärter für den Nobelpreis oder Klassiker der Weltliteratur. Ich liebe die Möglichkeit, sich aus den Rezensionen und Empfehlungen verschiedener Spartenblogger die Bücher für meinen ganz eigenen Buchgeschmack raussuchen zu können.
Für mich hat Buchblogging immer Vielfalt bedeutet. Das wunderbare Gegenteil zu der auf “Hochliteratur” konzentrierten Literaturkritik.
Unterschätzt nicht das Publikum!
Dabei sehe ich sehr wohl die Stärken und Schwächen, die das manchmal vielleicht etwas zu offene Prinzip von Bücherblogs hat. Ich sehe genauso wie alle anderen, dass manche Blogs qualitativ haarsträubend betrieben werden, ich sehe, dass es Selfpublisher und Verlage gibt, die versuchen, sich mit genügend Druck auf kleine Buchblogger und einem kostenlosen Rezensionsexemplar gute Rezensionen zu erkaufen, aber ich sehe auch das Publikum. Schlecht gemachte Blogs haben für gewöhnlich (zum Glück) eine geringere Reichweite und damit auch geringeren Einfluss. Leser merken sehr wohl, wenn Rezensionen nicht fundiert sind.
Wer Autoren und Verlagen unterstellt, dass sie bei Rezensionsexemplaren für Blogger rein darauf spekulieren, keine sonderlich tiefe Kritik zu bekommen, unterstellt den Lesern zugleich fehlende Intelligenz. Seit wann muss das Publikum vor “schlechter” Literaturkritik mit einer Knigge geschützt werden? Leser sind sehr wohl in der Lage, sogenannte “Blümchenblogger” (also Blogger, die tatsächlich v.a. für sich selbst und ihr näheres Umfeld schreiben und so im Grunde “nur” ein digitales Tagebuch im Netz führen) von erfahrenen Bücherbloggern unterscheiden. Dasselbe gilt auch für alle Formen von Besprechungen diverser Genres u.v.m.
Warum also meinen, man müsste Regeln für eine “gute” Rezension aufstellen und damit das so persönlich geprägte Format Blog in einen Rahmen zwängen, der ihm nicht steht?
Zu guter letzt: Mein Blog gehört mir! – Und das ist auch gut so.
Ein weiterer Punkt, weshalb ich mich von der Diskussion so irritiert fühle, ist, dass (wie schon angedeutet) Blogs dabei bestimmten Regeln entsprechen sollen. Verreißt keine Bücher, nennt ja immer auch den Übersetzer und bitte verwendet niemals die und die Formulierungen.
Bullshit.
Mein Blog gehört mir, das ist das Wunderbare daran. Ich habe auf meinem Blog keinen Chefredakteur im Nacken, der mir meine Person weg optimiert, ich kann hier schreiben, wie mir der Schnabel gewachsen ist, über Dinge meckern, von denen ich ganz genau weiß, dass wahrscheinlich ich allein und aus ganz persönlichen Gründen mich daran störe, ich kann (wie z.B. mit diesem Post) meine ganz persönliche und absolut nicht maßgebende Meinung auf die Welt loslassen, wenn ich das denn so möchte. (Und stecke selbstverständlich im Zweifelsfall auch die Reaktionen ein.) Kurz: Ich kann machen, was ich will.
Da lasse ich mir keine Regeln aufdrücken und da will ich auch gar nicht wie eine Literaturkritikerin aus den Printmedien behandelt werden, da stimme ich Caterina Kristen komplett zu. (Einmal ganz davon abgesehen, dass ich auch eindeutig nicht die Reichweite habe.)
Und ich kann nur hoffen, dass auch andere sich diese Haltung trotz aller Rede von formalen No-Gos etc. nicht ausreden lassen. Denn das ist das, was ich an den Bücherbloggern so sehr mag.
No Comments