Eigentlich bin ich ja keine Romantikerin und z.B. mit Liebeskomödien à la “Er steht einfach nicht auf dich” oder Herzschmerzgeheule wie “Das Leuchten der Stille” kann man mich jagen. Eigentlich liebe ich zwar Shakespeares Dramen, aber “Romeo und Julia” ist nicht einmal mein Lieblingsstück (der Titel geht ganz klar an “Macbeth”). Eigentlich stimmt das alles, aber die Adaption von Julian Fellowes unter der Regie von Carlo Carlei von 2013 hat es mir dann doch angetan. Und das obwohl die Kritiken zu diesem Film eigentlich insgesamt eher unterkühlt waren.
Die Geschichte sollte ja klar sein: Romeo liebt Julia und Julia liebt Romeo, nur leider lieben die Familien der beiden sich eher weniger. Daraus resultiert eine Menge Gewalt, eine Reihe Toter (inklusive des namensgebenden Liebespaares) und am Ende sogar eine Versöhnung der Familien. Hach, ja. Drama! (Pun intended.)
Die Handlung lädt zu ganz viel Kitsch ein, das ist klar, aber für mich ist bei dieser Produktion genau dieser Kitsches mit einem eigentlich recht simplen Detail ordentlich relativiert worden: Die beiden Protagonisten werden nicht nur als sehr jung beschrieben oder benehmen sich einfach so, sie sind es auch. Hailee Steinfeld (Jahrgang 1996) und Douglas Booth (Jahrgang 1992) haben für mich einfach sehr gut in die Rollen dieser beiden halben Kinder Romeo und Julia gepasst, die ihre ganze Beziehung komplett durch die rosarote Brille und überstürzt angehen. Die gerne kritisierte fehlende Erotik oder (damit verbunden) fehlender Mut bei der Inszenierung muss dabei fast ausbleiben und ich bin mir auch nicht sicher, ob die überhaupt da reingepasst hätte.
Ich habe allerdings “Romeo und Julia” auch nie für eine Geschichte über ewige und unüberwindbare Liebe, sondern für die von jugendlicher Liebe im kompletten Hormonrausch gehalten. (Rein vom Text her müssten die beiden schließlich, glaube ich, noch unter 16 sein, was will man da auch erwarten?) Da halte ich die überzogenen und überdrehten Liebesschwüre voller Kitsch und Pathos allein für sehr viel wichtiger. Zwei sehr junge bzw. onscreen noch einmal ordentlich jünger wirkende Schauspieler machen da einiges aus, gerade weil so eben die Überzogenheit, die die gesamte Liebesgeschichte gerade für moderne Augen oft hat, wunderbar unterstützt und irgendwo auch erklärt wird. Romeo und Julia sind vielleicht auch ineinander verliebt, aber genauso viel in das Verliebtsein an sich und genau deswegen habe ich mich an der sehr kindlich dargestellten Beziehung der beiden hier auch nicht gestört, sondern fand sie viel mehr passend.
Unabhängig davon feiere ich in dieser Adaption auch noch Tybalt unglaublich, der im Original ja (überspitzt formuliert) vor allem dazu da ist, um Mercutio zu töten und dann daraufhin selbst getötet zu werden, damit Romeo verbannt werden kann. Hier ist Tybalt noch ein gutes Stück größer: Er scheint auch in Julia verliebt zu sein oder wenigstens einen starken Besitzanspruch getrant als Beschützerinstinkt zu verspüren. Dazu kommt, dass er insgesamt offenbar so etwas wie der Bluthund unter den Capulets sein soll. Hier hat er dabei offenbar nicht nur mehr Zeit auf dem Bildschirm bekommen als bei Shakespeare auf der Bühne, sondern ist wenigstens in Ansätzen zu einem schönen Gegenspieler aufgebaut worden. Von der ersten Minute verspricht er Gefahr und diese Stringenz gefällt mir. Zugegeben, ich habe auch Ed Westwick als Tybalt sehr gefangirlt, weil das ein bisschen Chuck Bass meets Shakespeare war und auch schauspielerisch hatte ich das Gefühl, dieses Repertoire der Mimik in “Gossip Girl” schon einmal gesehen zu haben, aber was soll’s. Es hat gut zur Rolle gepasst. Die tiefe Stimme, eben dieses Mienenspiel, die Wut, die Tybalt hier besonders deutlich anzutreiben scheint, solche Böswichte machen mir einfach Spaß.
Dazu kommen noch die schönen, italienischen Kulissen, die regelmäßig daran erinnern, dass hier Verona und Mantua nicht nur Begriffe, sondern echte Orte bzw. Schauplätze sind. Auch hier hat die Verfilmung vielleicht bei mir einfach nur einen Nerv getroffen, aber ich liebe Filme in schönen mediterranen Kulissen und das erfüllt “Romeo and Juliet” komplett.
Seien wir ehrlich: Wer etwas stilistisch Revolutionäres von dieser Verfilmung erwartet, der wird enttäuscht werden. Wie vergleichbare Shakespeare-Verfilmungen wie z.B. der tolle “Kaufmann von Venedig” (2004) ist auch “Romeo and Juliet” in so ziemlich allem traditionell gehalten: Kostüme, Figuren und Interpretation, das alles ist im Grunde schonmal so oder so ähnlich da gewesen. Nur trotzdem ist die Verfilmung gut gelungen und hat mit ihren einzelnen Szenen und Standbildern grade zum Schluss sogar mein Romantik-Grinch-Herz erweicht, obwohl mich bei diesem Stück normalerweise maximal Mercutios Sterbeszene rührt. (Bei “He stabbed me under your arm” ist es einfach aus mit mir, auch wenn ausgerechnet aus dieser Szene diese Verfilmung hier eher weniger macht.)
Lange Rede, kurzer Sinn: Eine schöne Verfilmung mit schönen, historisch wirkenden Bildern und Kostümen? Ja, ganz eindeutig. Eine expressionistisch mutige, fordernde oder künstlerisch revolutionäre Inszenierung? Nein, aber das musste der Film auch gar nicht liefern, um trotzdem gut zu sein.
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