Als Nickis bester Freund Canon unter mysteriösen Umständen verschwindet, kann sie fast nicht anders und begibt sich auf die Suche nach ihm. Auf den Spuren seiner Zeichnungen stochert sie in seinem Leben, von dem sie trotz ihrer tiefen Verbindung so wenig weiß, und stolpert so recht chaotisch hinüber in die Welt der Dämonen und Fließwesen.
Auf Canons Spuren gerät sie aber auch an den Inkubus Tallis, der versucht, sie in einen Pakt zu locken. Ihr Körper gegen seinen Schutz vor Fließwesen, ihren Domänen und was sonst noch so in dem übernatürlichen Teil Berlins durch die Gegend läuft. Trotzdem bleibt die Frage, ob Nicki ihm überhaupt trauen kann. Denn kein Inkubus ist für seine unglaubliche Ehrlichkeit bekannt…
Jenny-Mai Nuyen, das ist ein Name, mit dem ich schon eine Weile ein paar gute Leseerinnerungen verbinde. Mit dreizehn oder vierzehn habe ich “Nijura” verschlungen, ähnlich lief es mit “Das Drachentor”, ein paar meiner ersten Fantasy-Erfahrungen (neben Harry Potter) gehen auf sie zurück und schon damals haben mich ihre Welten und Geschichten fasziniert. Eine Liste, in die sich auch “Nacht ohne Namen” einreiht.
Zu allererst ist die Geschichte auf einer rein sprachlichen Ebene schön zu lesen, auch wenn “Nacht ohne Namen” eindeutig “nur” ein Jugendbuch ist und damit wahrscheinlich außerhalb der Zielgruppe, die sich die Heldin Nicki zum Vorbild nehmen kann, unterschätzt werden wird. Nuyen zeigt, dass sie weiß, wie sie dem Leser farbenfrohe Bilder in den Kopf malt und die Welt um ihre Figuren zum Leben erweckt. Das macht es im übrigen auch so wunderbar einfach, zwischen den Seiten zu versinken und in die Geschichte einzutauchen.
Auch gefällt mir Nicki als Figur sehr gut. Sie ist ein kreatives, etwas stilles Mädchen, das in ihrer ganz eigenen Welt zu leben scheint. Das macht sie auf der einen Seite zu einer recht eigenen Protagonistin, deren Art man irgendwo mögen muss, aber zugleich ist sie denke ich auch eine Figur, die ich mit dreizehn/vierzehn genau deswegen verehrt bzw. mit der ich mich in den Alter auf der Stelle identifiziert hätte. Sie ist keine typische Heldin, sondern einfach jemand, der der Kunst hinterher jagt. Beziehungsweise dem Menschen, mit dem sie ihre Kunst und die Leidenschaft dafür teilt und zu dem sie deswegen eine so besondere Verbindung hat: Canon.
Zugleich hat man das Gefühl, dass sie irgendwo noch sich selbst sucht, gerade weil sie Canon so verzweifelt hinterher jagt. Ein weiteres schönes Detail, denn es fasst das angenehme an Nicki so gut zusammen: Sie ist im Grunde ein ganz normales Mädchen. Mit Stärken und Schwächen, großen und kleinen Problemen und einem Leben, das weit weg von “perfekt” ist, aber das ist es auch, was sie als Figur interessant macht.
Dagegen eher durchschnittlich ist, wie in der Geschichte die Sache mit den Dämonen verarbeitet. Zwar sind Dämonen weniger negativ behaftet als man denken würde, was schon die innerhalb des Buchs als neutralen Begriff verwendete Bezeichnung der “Fließwesen” vermuten lässt, aber rundherum ist das meiste genretypisch. Die Fließwesen gehen Pakte ein, besetzen Körper und sind insgesamt nicht gerade die Art von Leuten, denen man blind vertrauen sollte. Die Bürokratie der Dämonen ist dabei zwar wieder fast schon witzig, genauso wie das Detail, dass Nicki die Hölle das erste Mal ausgerechnet durch die Türen des Grimm-Zentrums, der Hauptbibliothek der Humboldt Universität Berlin, betritt, aber unterm Strich warten da keine unglaublichen Besonderheiten und die Geschichte läuft nach den für Urban Fantasy eher typischen Trends, womit natürlich nicht zuletzt auch einher geht, dass Nicki in die Welt der Fließwesen gerät, weil sie dem Jungen auf den Fersen ist, in den sie sich verliebt hat.
Insgesamt kann man sagen, dass NoN eindeutig ein Buch ist, das durch seine Atmosphäre wirkt. Es wirkt durch die eingestreuten philosophischen Ansätze, es wirkt durch die Bildlichkeit des Schreibstils, es wirkt durch die Charaktere und ein etwas schwer zu bestimmendes, graues Gefühl von Einsamkeit, das immer wieder bei Nicki durchschimmert. Das sind alles Dinge, die mich begeistern und faszinieren, die man aber auch genauso wie das Genre mögen muss.
Wenn man aber (wie ich) eine Vorliebe für all das hat, dann ist “Nacht ohne Namen” wirklich eine schöne Sache, auch wenn mir persönlich manche Teile der Geschichte zu vorhersehbar waren, was aber wohl auch daran liegen mag, dass ich dem klassischen Jugendbuch dieser Art inzwischen eher entwachsen bin.
Infos zum Buch:
ISBN: 978-3-423-76109-3
Preis: 16,95€ [D]
Kaufen?
Hier kommt ihr zu “Nacht ohne Namen” auf der Verlagswebsite.
(An dieser Stelle auch noch einmal ein Dankeschön an dtv für das Leseexemplar im Rahmen der Bloggeraktion.)
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