Gaming Mein Schönstes Scheitern (2019)

Mein Schönstes Scheitern: Über die Kunst des Scheiterns (ft. Zelda – Breath of the Wild)

23. Februar 2019

Gastgeflüster Zelda Breath of the Wild
Meine Geschichte beginnt in Zelda – Breath of the Wild, der neusten Installation der Zelda Reihe. Anstatt der Haupt-Storyline zu folgen, bin ich erstmal quer durch Hyrule getrekkt, habe die Karte freigeschaltet und Schreine gesucht, um mehr Herzen und Ausdauer zu bekommen. Normalerweise muss man in den Schreinen kleine Puzzle lösen, aber es gibt auch Schreine, bei denen man Challenges um den Schrein herum bestreiten muss. Da gibt es Labyrinthe, Logikrätsel und vieles mehr. Von so einem Schrein möchte ich jetzt erzählen.

Es handelte sich um den Korgu-Chideh Schrein in der südöstlichsten Ecke der Karte. Funktioniert wie folgt: Die Insel ist superweit vom Festland entfernt und man muss mit dem Gleiter dorthinfliegen. Kaum setzt man Fuß auf den Strand wird das Spiel angehalten und Text erscheint auf dem Bildschirm, der dir im Grunde sagt: „Hey, du hattest bisher ziemlich Spaß mit dem Spiel. Was hältst du davon, wenn wir dir alle Waffen, Rüstungen und Heilmittel nehmen, die du besitzt und du dann gegen verschiedene Monster kämpfen musst? Ohne Waffen. Ohne Rüstung. Haben wir dir schon gesagt, dass wir dir alles wegnehmen?“ Das Spiel geht weiter und ich stehe nackt am Strand.

Versuch 1

Ich hatte 4 Herzen. Kaum habe ich mich umgedreht, sind drei Bokoblins aus einem Lager drei Schritte neben mir über mich hergefallen und es hat keine drei Sekunden gedauert und ich war tot.

Versuch 2

Der Überraschungseffekt und anfängliche Schock waren weg. Ich wusste, wo das Bokoblinlager am Strand war, habe mich also beim Hingleiten extra auf die andere Seite des Strandes gebracht und bin dann, wie ein Held, in den anliegenden Wald gesprintet, um mich zwischen den Bäumen zu verstecken. Dabei bin ich über einen Hinox gestolpert. Das ist ein Miniboss. Ich war immer noch nackt und ohne Waffen. Du kannst dir vorstellen, wie gut das ausgegangen ist.

Versuch 3

Nach den ersten beiden Disastern war ich ein wenig demoralisiert und habe diese Challenge erst einmal vertagt. Vielleicht, wenn ich mehr Herzen hätte, würde ich sie besser hinbekommen. Spulen wir ein wenig vor. Mittlerweile hatte ich 15 Herzen, fast hundert Stunden im Spiel. Meine Zuversicht: hoch.

Zurück zur Insel. Inzwischen hatte ich verstanden, dass Bokoblins ihre Waffen oft in der Nähe ihres Lagers liegen lassen und sie erst aufnehmen, wenn sie eine Bedrohung (mich) entdeckt haben. Engage Stealth Mode.

Ich lande weit von ihnen entfernt und schleiche an sie heran. Dann als ich zehn Meter von ihnen entfernt bin, sprinte ich los, bin schneller bei ihren Waffen und schaffe es sie alle mit ihren eigenen (sehr schlechten) Holzlanzen zu verdreschen. Ich loote ihr Lager, finde ein paar Heil-Items und mache mich auf den Weg in den Wald (und einen großen Bogen um den Hinox).

Im Wald finde ich Pilze, Bananen und … eine Axt in einem Baumstumpf? Eine Axt ist eine Waffe. Eine ziemlich gute Waffe im Vergleich zu dem, was ich habe! Begeistert gehe ich näher heran und versinke im Boden. Game over. Es war Nacht und ich habe nicht gesehen, dass die Axt von tödlichem Sumpfland umgeben war.

Gastgeflüster Zelda Breath of the Wild Eventide

Versuch 4

Mittlerweile habe ich den Anfang drauf. Erstes Bokoblinlager: vernichtet. Wald: gelootet. Axt: immer noch im Baumstumpf, weil ich nicht drankomme. Hinox: umrundet. Soweit so gut.

Ich komme an dem hinteren Teil der Insel an. Noch ein Bokoblinlager, aber diesmal haben sie Bogenschützen. Das ist ein Problem. Denn ich habe keinen Bogen und das Anschleichen wird auf offenem Gelände schwer. Aber ich habe doch ein paar Holzlanzen, wie schwer kann das schon sein?

Tatsächlich war es einfacher, als ich es gedacht hab. Bis ein Feuerschleim gespawnt ist und ein explosives Fass in die Luft gejagt hat. Und mich auch.

Versuch 5

Der Anfang ist jetzt einfach. Mittlerweile kostet mich das erste Bokoblinlager kein einziges Herz mehr. Auch das zweite Bokblinlager fällt unter meiner Macht. (In diesem Bokoblinlager liegt eine Kugel, die man zu einem bestimmten Punkt auf der Insel bringen muss. Von diesen Kugeln gibt es insgesamt drei Stück und wenn mal alle erkämpft hat, dann hat man die Challenge dieses Schreins geschafft.) Ich sammle Bogen und Pfeile ein und mache mich weiter daran die Insel zu umrunden.

Ich klettere auf einen kleinen Berg und finde: Noch ein Bokoblinlager mit einer Kugel. Sie haben Bogenschützen, Bokoblins mit hohen Leveln und einen Moblin. Das wird schwierig, aber ich habe einen Plan. Ich klettere höher und schieße die Bogenschützen einzeln ab. Keiner schlägt Alarm. Dann falle ich von oben in das Lager ein, greife alle Waffen die ich finden kann und stürze mich in das Getümmel.

Der Kampf ist hart, ich verliere Einiges an Herzen, aber am Ende bin ich siegreich. Ich sammel meine Schätze und die übrig gebliebenen Waffen ein und fülle meine Herzen wieder auf. Zweite Kugel: Abgehakt!

Die gesamte Insel ist erkundet. Fehlt nur noch … der Hinox. Der trägt nämlich eine Kugel um den Hals. Ich bin zuversichtlich. Ich habe einige Pfeile und einen starken Bogen. Die Bokoblins in diesem Lager hatten ziemlich gute Waffen. Ich bin zwar immer noch nackt, aber das soll mich nicht aufhalten!

Auf in den Kampf.

Ich setze alles auf meinen Bogen. Ein oder zwei Treffer von dem Hinox und ich würde trotz meiner 15 Herzen sterben. Distanz ist angesagt. Ich verschieße alle Pfeile, der Hinox hat nur noch ¼ seines Lebens. Jetzt geht es in den Nahkampf. Es ist verdammt knapp. Der Hinox fällt. Ich überlebe mit 4 Herzen.

Puh!

Aber es ist noch nicht vorbei. Der Hinox hat die Kugel fallen lassen und die muss ich noch an ihren angestammten Platz bringen. Dann ist die Challenge vorbei. Dann habe ich gewonnen. Aber es gewittert. Und wenn ich jetzt vom Blitz getroffen werde (ist schon oft genug vorgekommen), dann schmeiß ich alles hin. Denn allein dieser Versuch hat fast 45 Minuten gedauert.

Also, denke ich mir: Ich bin schlau. Ich warte das Gewitter einfach ab. Ich mache ein Lagerfeuer und warte bis zum Morgen. Kein Problem. Dann kann ich die Kugel bei strahlendem Sonnenschein über die Insel tragen und es gibt nichts, das sich mir in den Weg stellen kann. Ich setze mich an ein Lagerfeuer und warte.

Dann …

Blutmond.

Für alle, die nicht wissen, was das bedeutet: Ein Blutmond ist ein random Event, das dafür sorgt, dass ALLE MONSTER RESPAWNEN. Auch die Bokoblins auf der Insel. Auch der Hinox.

Rage quit.

Versuch 6

Es dauert eine Weile, bis ich Zelda wieder in die Hand nehme, aber mein Versagen verfolgt mich und nach ein paar Wochen spiele ich wieder.

Ich fliege zu der Insel rüber und bin hauptsächlich verwirrt. Die Kugeln aus den ersten beiden Bokoblin-Lagern sind nirgendwo zu finden. Auch der Hinox trägt keine Kugel mehr. Ich schleiche die gesamte Insel auf und ab wie ein nackter Sherlock Holmes und versuche herauszufinden, was passiert ist. Ein Bug? Dann verstehe ich endlich. Die Developer waren nicht dumm. Sie hatten genau diese Art von Missgeschick erwartet.

Weil ich nicht gestorben bin, wurde mein Fortschritt auf der Insel nicht rückgängig gemacht, sondern wurde beibehalten. Die ersten beiden Kugeln sind schon „verbaut“ und die dritte liegt irgendwo im Gebüsch. Mein Rage Quit vor einigen Wochen war völlig überflüssig. Ich hätte nur einmal die Augen aufmachen müssen.

Ich hebe sie auf und bringe sie an ihren angestammten Platz. Und – wer hätte es gedacht? – ich habe die Challenge endlich geschafft.

Was kann ich sagen: auch wiederholtes Scheitern ist eine Kunst.

Über die Autorin

Sina ist Studentin und beschäftigt sich in ihrer Freizeit mit Geschichten in allen ihren Formen, ob Bücher, Filme, Videospiele oder Pen&Paper-Rollenspiele. Auf ihrem Blog “Sinas Geschichten” lebt sie diese Faszination aus und schreibt jede Woche Artikel über Worldbuilding und den Prozess des Schreibens.

  • Buttermilk
    8. Oktober 2020 at 12:00

    Sehr schönes Feature. Danke für das teilhaben lassen Bin gerade mit der Insel durch und für mich ist es das gelungenste Sidequest in botw.

  • Sina
    23. Februar 2019 at 19:35

    Darüber zu Schreiben hat deutlich mehr Spaß gemacht, als dieses Drama zu durchleben 😀 Beim nächsten Gastgeflüster bin ich gerne wieder dabei!

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Über mich und diesen Blog

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Aurelia Brandenburg - Historikerin und Bloggerin. Ich beschäftige mich meisten mit Mittelalter, Digital Humanities und Game Studies, nicht zwingend immer in dieser Reihenfolge. Auf Geekgeflüster schreibe ich seit 2012 über Popkultur, inzwischen oft aus einer feministischen Perspektive und manchmal auch über Popkultur und Geschichte, insbesondere Popkultur und Mittelalterrezeption. Außerdem schreibe ich auch für Language at Play. Auf Twitter findet man mich als @hekabeohnename.


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