Meine ersten Computerspielerfahrungen hatte ich mit Spielen wie Solitaire, wo man einfach nur auf die richtige Karte klicken musste. Die Steuerung war einfach, die Karte lief ja auch nicht weg. Dann betraten andere Spiele die Bühne meines Lebens und brachten anspruchsvollere Steuerungen und Bestandteile als unbewegliche Spielkarten mit: neben schnellerem Klicken und Mausbewegungen auch die WASD-Steuerung. Und die stellte mir bald meine schlimmsten Gegner vor.
In anderen Spielen haben mich früh die ersten Tastatur-Shortcuts erfreut, ich versuche bis heute in vielen Spielen mit B das Baumenü aufzurufen. Aber mit WASD wurde ich nicht warm. Ich bekam gefühlt einen Knoten in die Finger, wenn ich etwas anderes versuchte, als gerade in eine Richtung zu laufen. Eigentlich und in der Theorie ist es ganz einfach: man muss beim Laufen die Richtung anpassen. Klappt nur nicht immer so richtig. Mir hatte nie jemand beigebracht, wie die WASD-Steuerung mit allen Feinheiten funktioniert, in meiner Erinnerung klingt es in etwa so: mit diesen Tasten läufst du in diese Richtungen, viel Spaß!
Ich probierte also und hatte Spaß, allerdings präsentierten sich mir und meiner unerfahrenen Steuerung ganz neue Gegner neben den farbenfrohen Computerspielmonstrositäten: Bäume, Wände, Steine, Zäune und andere Landschaftsdekoration. Ich habe es immer wieder geschafft, mit meiner aktuellen Spielfgur dagegen zu rennen und daran hängen zu bleiben. Meine Figur muss herumgelaufen sein, als sei sie besoffen. Der größte Feind wurde für mich jedoch die Treppe.
Mein Feind, die Treppe
Ja, die Treppe. Dieses Stufending, mit dem sich Höhenunterschiede überbrücken lassen. Das in andere Stockwerke, in Dungeons hinab oder Türme hinaufführt. Das gewendelt oder mit eckigen Absätzen gebaut wird. Zwei, drei einzelne Stufen waren kein Problem. Breite paradetaugliche Treppen auch nicht. Aber sobald die Treppe die Richtung wechselte, wurde es kompliziert. Ich blieb ständig nach ein paar Schritten in der Wand hängen. Also anhalten, Spielfigur drehen, weitergehen. Aber nicht zu schnell laufen, sonst landete ich wieder in der Wand. Lieber langsam einen Schritt nach dem anderen und ab und an die Richtung anpassen. War natürlich total super, wenn die ganze Gruppe auf mich warten musste, weil ich damit beschäftigt war, die verdammte Treppe herunterzuschleichen.
Der absolute Endgegner, sozusagen der Oberboss der Treppen-Monster, war jedoch eine Wendeltreppe mit einer offenen Mitte. Meine Schleichbewegung funktionierte bei Treppen mit kurzen Strecken und vielen Absätzen am besten, auf denen konnte ich mich drehen und dann geradeaus weitergehen. Aber bei dieser Treppe ging das nicht. Sie führte in Türmen rauf und runter, die Stufen an der Wand entlang und in der Mitte ein Loch. Meistens ziemlich tief. Super, dachte ich beim ersten Mal bei so einer Treppe, ich muss nicht runtergehen, ich spring einfach. Gedacht, getan. Danach musste mein Charakter wiederbelebt werden, die Idee war doch nicht so gut. Die Monster-Treppe stellte mich also jedes Mal vor die Wahl, ob ich von vornherein langsam die Wand entlang schleichen oder meinen Charakter töten wollte. Es ist mir aber auch passiert, dass ich versuchte, die Wand entlangzulaufen und dann zack, ein falsches Zucken auf der Tastatur, und ich bin doch abgestürzt.
Der fiese kleine Cousin der gewendelten Monster-Treppe war übrigens eine gerade, schmalere Treppe mit wenig Seitenbegrenzung. Dieser Side-Boss der Treppen-Monster sah harmlos aus – keine Kurven – aber wehe, ich bin nicht mittig genug geblieben. Zack, an der Seite abgestürzt. Es gab ja keine Wand, in der ich hängenbleiben konnte, sodass auch hier meine unsichere Steuerung zu dem einen oder anderen schmerzhaften Unfall geführt hat. Es war übrigens ziemlich egal, ob ich nach oben oder unten ging, abstürzen konnte ich in beide Richtungen, die Monster-Treppen waren nicht wählerisch, wann sie mir meine Unerfahrenheit unter die Nase gerieben hat.
Ganz ehrlich, keine Monsterklasse hat mich so viel Nerven gekostet wie Treppen. Ich konnte ja auch deswegen nicht um Hilfe fragen, wie bei anderen Problemen, ich wusste, ich muss das irgendwie mit der Zeit lernen. Außerdem war es mir vor Mitspielenden und Bekannten endlos peinlich, Probleme mit einer Treppe zu haben. Die ersten zwei, drei Tage darf die Steuerung ungewohnt sein, aber danach? Also habe ich Treppen vermieden, wenn es ging, und andere Möglichkeiten gesucht. Bei einigen Spielen gab (und gibt) es die Möglichkeit, die Spielfigur nicht nur mit WASD, sondern auch mit der Maus zu steuern. Ich habe es versucht, aber wirklich besser wurde es nicht. Ich musste immer noch alle paar Schritte die Richtung anpassen. Also weiter Schleichgang und gelegentlicher Charaktertod durch einen Sturz von der Treppe.
Und heute?
Mittlerweile spiele ich andere Spiele und die mit Controller, damit finde ich es einfacher, um Kurven zu gehen. Außerdem habe ich mehr Spielerfahrung. Die Treppe hat also insgesamt an Gefahrenpotenzial für meine aktuelle Spielfigur verloren. Aber ich meide Spieltreppen immer noch, wenn ich kann, besonders Wendeltreppen in Türmen (auch ohne Loch in der Mitte) und schmale Treppen ohne Seitenbegrenzung. Lieber klettere ich etwas mehr – dem Treppen-Monster will ich möglichst wenig Chancen geben.
Marc
12. September 2020 at 22:32Hahaha.. Ich erinnere mich noch an das erste Jedi Knight, das für mich das erste Spiel nicht nur mit WASD-Steuerung, sondern auch noch der erste Shooter mit freier Maussicht war. Davor gab es nur Duke Nuk’em 3D, Doom u. ä., bei denen das Spiel die vertikale Schussrichtung automatisch durchführte. Hier auf einmal musste man das selbst übernehmen. Wie oft ich da halb verzweifelt bin…
Der umgekehrte Weg ist nun in VR, wo man “richtig” über Kimme und Korn oder sogar durch ein Zielfernrohr zielen kann.
Die Zeiten ändern Dich 😀
Fremde Funken 02/2020 | Gedankenfunken
12. April 2020 at 13:00[…] zusammengekommen, wie zum Beispiel der von Marie von Schreib fantastisch, die sich über den „Endgegner Treppe“ ausgelassen hat. Da musste ich doch sehr schmunzeln, weil das Steuern mit WASD habe ich […]