In den meisten Kulturbereichen ist es – gerade als weißer cis Mann – hip, oberflächlich links, offen und feministisch zu sein. Und trotzdem ist das meistens nicht viel wert.
Vor kurzem forderte ein großer deutscher Buchblogger auf Twitter dazu auf, dass sich alle doch von Zeit zu Zeit etwas beruhigen sollten statt eine künstliche Kultur des Aufregens zu pflegen. Ein paar Tage später twitterte ein großer deutscher Streamer, dessen Firma eine inzwischen eine große Bandbreite an Unterhaltungsvideos zum Thema Gaming produziert, einen reichweitenstarken Kommentar, der Feminismus als lächerlich darstellen sollte, tatsächlich aber quasi ein Lehrstück für Whataboutism war und wenigstens punktuell einen Aufschrei auch unter cis Männern provozierte. Parallel ging im deutschen Gaming-Twitter die Kritik an einem Blogpost viral, in dem eine Bloggerin scheinbar Tipps gab, was für Spiele denn für Frauen geeignet seien, und so tat als würden Frauen maximal an den Konsolen ihrer Partner spielen. Und erst vor ein paar Tagen glänzte ein Liebling der deutsche Selfpublisherszene mit einem sexistischen Tweet, auf den eine Entschuldigung samt Werbung für das eigene Buch und eine Reihe von Posts in den Sozialen Medien folgten, die durchblicken lassen, dass diese Entschuldigung nicht viel wert ist.
Alle vier Fälle sind als solche vielleicht nicht einmal bemerkenswert. So etwas kommt täglich in der schnelllebigen Netzwelt vor. Ein Like an die Kritik, ein genervter Kommentar in die Replies, weiterscrollen, fertig. Und dennoch: Alle vier ließen mich aus unterschiedlichen und doch gleichen Gründen sehr müde zurück, die wiederum wenig mit den Inhalten an sich zu tun hatten.
Viele Vertreter der verschiedenen Szenen aus dem deutschen Kulturbereich geben sich gerne oberflächlich aufgeklärt und offen. Da ist es egal, ob man einen Blick auf Buchblogger, Streamer oder Serienjunkies wirft, alle fühlen sie sich meistens aufgeklärt, offen und eher links als rechts. Man ist im Schnitt für Gleichberechtigung, schüttelt den Kopf über die üblichen reaktionären Nerds, die einen Tobsuchtsanfall über zu viele Frauen in einem historischen Setting bekommen, und äußert sich gerne auch mal feministisch. Starke Frauenfiguren braucht die Popkultur! Und natürlich sind Babe-Galerien degradierend! Und, ugh, wie kann man nur behaupten, Frauen würden nur Candy Crush spielen?! So wahr diese Aussagen auch sind – Sie kratzen an der Oberfläche und die Oberfläche ist auch alles, woran ab und zu mal ein wenig gerüttelt wird. Das nächste Projekt, das dieselben Leute auf die Beine stellen, wird vermutlich wieder vollständig oder hauptsächlich (cis) männlich besetzt sein. Ganz egal, dass es in den meisten Fällen lächerlich einfach wäre, Personen zu finden, die nicht in diese Kategorie passen, aber natürlich genauso etwas beitragen und außerdem eine eigene Perspektive mitbringen könnten. Wenn man denn wirklich wollte.
Früher war es mir mal wichtig, dass cis Männer sich feministisch äußern. Heute ist es mir wichtig, dass sie feministisch handeln. Dass sie vielleicht mal diesen einen Artikel darüber, wie man starke Frauenfiguren zu schreiben hat, ablehnen und stattdessen eine Person vorschlagen, die diese Chance nicht so ohne weiteres bekommen hätte, weil sie eben kein cis Mann ist. Dass sie vielleicht mal diese Podcastfolge über einen sexistischen Vorfall nicht nur in einer Runde von cis Männern aufnehmen, die am Ende finden, dass das alles nur halb so schlimm war. Dass sie sich ihr “Not all men!” verkneifen, wenn sie einen Tweet oder Artikel lesen, der ein strukturelles Problem anspricht. Und dass sie vielleicht ein Mal lieber gegen ihren Kollegen schießen, der den offensichtlichen Sexismus eines Spiels oder eines Designs kleinredet, statt sich nur auf eine Bloggerin zu stürzen, die ganz offensichtlich einen Artikelplatz zur Werbung verkauft hat und bei der Gelegenheit sexistische Stereotypen reproduziert. Dass sie vielleicht ein einziges Mal kein Theater machen, nur weil sie mitbekommen, dass andere sich bewusst Discord-Server, Pen and Paper-Runden oder Gaming-Squads suchen, in denen kein einziger cis Mann ist, sondern einfach akzeptieren, dass diese safe spaces einfach wohltuend sein können.
Denn wenn ihr nur euch nur feministisch gebt, wenn es leicht ist, brauche ich euren Feminismus nicht. Wenn ihr Feminismus nur unterstützt solange ihr professionell davon profitieren und eine Marke etablieren könnt, brauche ich euren Feminismus nicht. Wenn ihr nur anderen cis Männern applaudiert, die stillschweigend die Vorarbeit von vielen Frauen nutzen, um sich selbst zu profilieren, und denen am Ende noch immer und immer wieder eine Plattform gebt, brauche ich euren Feminismus nicht. Wenn ihr mir erzählt, dass ein sexistisches Design einer Frauenfigur doch nicht so schlimm sei und eine männliche Figur ja auch mal diese eine Sexszene oben ohne hätte, brauche ich euren Feminismus auch nicht. Wenn ihr mir bei der ersten Gelegenheit meine eigene Argumentation mansplaint, brauche ich euren Feminismus nicht. Und wenn ihr ernsthaft denkt, es wäre okay, für euer Ego immer und immer wieder sexistischen Mist zu reproduzieren, um ihn zu “kritisieren”, brauche ich euren Feminismus ganz bestimmt nicht. Wenn ihr zuerst eure eigene Stimme und dann own voices hervorhebt, dann ist euer Feminismus nicht viel wert. Denn, um eine sehr gute Folge “Bojack Horseman” zu zitieren: “Für mich ist [Feminismus] kein Spaß. Eine Frau zu sein, ist kein Hobby oder Zeitvertreib für mich. Du tauchst einfach auf und alle jubeln dir zu, aber wenn du die nächste Sache machst, dann bin ich immer noch hier.”
Nachtrag: Nach einem Hinweis auf Twitter, habe ich ein paar Formulierungen zu diesem Artikel angepasst, nachdem die erste Version bzgl. trans* Inklusivität zu Wünschen übrig ließ.
4 Comments
Zeitrauschen #2: Februar 2019 - Stürmische Seiten
6. März 2019 at 10:55[…] Aurelias Beitrag “Feminismus, cis Männer und Kultur: Für mich ist das kein Spaß” auf Geekgeflüster finde ich sehr wichtig und […]
Level Complete: Februar 2019 - Red Riding Rogue
4. März 2019 at 14:39[…] dies schön im Intro ihres Artikels an), schrieb sie auf ihrem Blog Geekgeflüster im Beitrag „Feminismus, cis Männer und Kultur: Für mich ist das kein Spaß” darüber, wie solche Themen mittlerweile (meist in sozialen Netzwerken) aufgegriffen und […]
Aurelia Brandenburg
10. Februar 2019 at 18:50Der Vorwurf mit dem Influencertum ist natürlich ein zweischneidiges Schwert. Einserseits kann es nicht immer die Aufgabe von ggf. Betroffenen sein, z.B. professionell (im Fall von Autor*innen) vielleicht sogar ziemlich viel zu riskieren, weil diese Netzwerke für Autor*innen wichtig sind, gleichzeitig ändert es sich eben auch nur etwas, wenn laut protestiert wird. Ich kann jede Person verstehen, die dafür auch nicht immer Kraft hat (habe ich auch nicht immer), und sehe da ehrlich gesagt auch am meisten die Blogger*innen in der Pflicht. Die sind alle machttechnisch in der Position, ggf. auch mal zu sagen, dass das Verhalten bestimmter Autor*innen einfach Mist war, und können eben, wenn sie das persönlich für den richtigen Schritt halten, auch die Konsequenz ziehen und mit bestimmten Leuten nicht mehr zusammen arbeiten. (Ob und wann sie das tun, ist natürlich allen selbst überlassen, aber allein, dass das als legitimer Schritt registriert wird, halte ich für wichtig.)
Abgesehen davon: Die Fälle, die ich benutzt habe, waren bewusst alle relativ klein und unwichtig, das sind alles im Grunde Kleinigkeiten, an die sich in einem halben Jahr kaum jemand noch erinnert, eben weil es mir um das größere Muster ging. 🙂
Katherina Ushachov
10. Februar 2019 at 11:14Ich gebe zu, dass ich von den von dir genannten Fällen nur den mit dem Selfpublisher mitbekommen habe. Im Moment fehlt mir die Kraft für einen Aufschrei, fürs Kämpfen, also habe ich es dabei bewenden lassen, die entsprechende Person zu entfolgen.
Mich verletzten dann – gebe ich zu – die Behauptungen einiger Frauen* auf Twitter, man würde nur nichts sagen, weil er so ein Influencer sei und man es sich nicht mit ihm verscherzen wollen würde. Mir ist die Person schlicht egal und wie gesagt – ich habe gerade nicht die Kraft, mich auf einen Streit mit einer Person einzulassen, von der ich mich seit Jahren frage, warum ich der eigentlich folge (außer aus Nostalgie, weil das halt einer der ersten Twitterer war, denen ich nachgesprungen bin, als ich 2011 von Google+ nach Twitter rübermigriert bin und mir eine Bubble aufbauen wollte).
Ein wenig beneide ich die Frauen, die genug Wut und genug Verve hatten, um sich in der Timeline zu äußern und was zu sagen. Vielleicht habe ich die in ein paar Wochen auch wieder und kann was tun, statt nur dabeizustehen und fassungslos zu sein.
Und zum Rest des Artikels einfach nur: Ja, du hast Recht.