Nachdem die Percents, künstlich geschaffene Soldaten für den dritten Weltkrieg, den Spieß umgedreht haben und von den Sklaven zu den neuen Herrschern der Menschen und damit der Erde geworden sind, hat sich einiges geändert. Dunkle Wolken, erzeugt von einer Maschine, verhüllen fast ganztäglich den Himmel, die Sonne sieht man nur noch selten, die Welt hat an Farbe verloren. Doch egal wie aussichtslos der Kampf gegen die körperlich wie materiell überlegenen Percents scheint: Ein kleiner Teil der Menschheit hat noch nicht aufgegeben. Es sind Rebellen, die außerhalb der Städte ums Überleben kämpfen. Immer in der Hoffnung, eines Tages doch noch die Gelegenheit zu bekommen, ihren Feinden den entscheidenden Schlag zu versetzen.
Unter ihnen ist auch Joy, die bei einem missglückten Befreiungsversuch ihrer Freundin Amber gefangen genommen wird und sich mit einem Mal in der Obhut von Néel wieder findet. Sie ist seine Soldatin und er soll sie für das Chivy, eine jährliche Hetzjagd auf Menschen, ausbilden.
Was voller Abneigung und mit Joys schier unendlichen Ehrgeiz, zuvor zu fliehen, beginnt, entwickelt sich nach und nach zu einer ungewöhnlichen Freundschaft, die Joy immer mehr dazu zwingt, sich zu fragen, ob Menschen und Percents sich wirklich so sehr unterscheiden.
Ehrlich gesagt hat mich dieses Buch ordentlich überrascht.
Im Moment gibt es Dank den “Tributen von Panem” so viele Dystopien oder Dystopie-ähnliche Bücher, die den Markt fluten, dass das Genre immer mehr in eine ähnliche Richtung abdriftet wie schon zuvor die Vampir- und Werwolf-Bücher nach dem Erfolg der Bis(s)-Bücher. Dementsprechend hatte ich eigentlich eine eher mittelmäßige Story mit mittelmäßigen Charakteren und mittelmäßigem Schreibstil erwartet. Etwas, das zwar Spaß macht, aber auch nichts Besonderes ist.
“Dark Canopy” dagegen ist allerdings tatsächlich doch etwas Besonderes.
Zwar folgt Jennifer Benkau mit ihrer Geschichte nach wie vor den üblichen Trends des Genres und lässt ihre Heldin auf eine düstere, unterdrückte Welt los, um sie dort gegen die bestehenden Verhältnisse aufbegehren und in einer brutalen Menschenhetzjagd um ihr Leben kämpfen zu lassen, aber zugleich sind da diese Elemente, die “Dark Canopy” einen ganz eigenen Touch geben.
Das zeigt sich am allerbesten an Joy selbst, auch wenn ich glaube ich bisher noch nie einen Namen für eine Figur als so unpassend empfunden habe. Denn Joy ist vieles, aber eigentlich keine Frohnatur. Sie ist verbissen und eher introvertiert, jemand, der andere eher vor den Kopf stößt als sich mit ihnen anzufreunden. Sie lebt in ihrer eigenen, engen Welt und schafft es kaum die Brücken zu den Menschen um sie herum zu schlagen. Sie hat eine ganze Menge an Ecken und Kanten, aber gerade das ist es, was sie interessant macht. Sie ist nicht schön, sie ist nicht perfekt, sie beißt sich einfach durch. Irgendwie wird dadurch zwar schon recht bald klar, dass es für Joy so kein Happy End geben kann, aber genauso wunderbar kann man in ihre etwas eigenen Perspektive eintauchen.
Gefühle sind wirr, wer sie in einfachen Worten beschreibt, hat sie nicht verstanden.
Der Rest der Figuren ist dagegen leider etwas flach und grau. Zwar wird dem Leser im Bezug auf Néel noch ein gewisser Wandel und damit Tiefe präsentiert, der vor allem an Joys Perspektive liegt, aber der Rest – ganz besonders Joys bester Freund Matthial bzw. die Rebellen im Allgemeinen – sind schwer nachvollziehbar und eher langweilig.
Damit verbunden braucht “Dark Canopy” auch fast die Hälfte der Geschichte, um zu einem echten Pageturner zu werden. Davor ist die Welt sehr klar schwarz und weiß, die Menschen sollen die Guten sein und die Percents die Bösen, obwohl eigentlich schon sehr bald klar ist, dass Joy ihre Meinung über letztere wohl noch revidieren und dass das wiederum vermutlich an ihren Gefühlen für Néel liegen wird.
Kaum ist dieser Hürde allerdings geschafft, dreht die Autorin auch sprachlich unglaublich auf. Joys Gefühle für Néel sind wie sie selbst: Kompliziert, rau und ungewöhnlich. So ungewöhnlich wie die großen Bilder, die damit mit einem Mal dem Leser in den Kopf gezaubert werden.
Das zwischen uns, das war wie der Wind. Stürmisch, pfeifend, eisig und rau, voller Zorn, aber ebenso mild, berürend oder zärtlich flüsternd.
Unterm Strich schafft es aber eben genau dieser Sog in die Geschichte hinein, der mit solchen Beschreibungen einher geht, die Defizite der Story auszugleichen. Mit diesem Sog zieht die Autorin ihre Leser so tief in Joys Gedanken-, Gefühls- und Umwelt, dass ich zum Schluss das Buch kaum noch aus der Hand legen konnte.
Infos zum Buch:
ISBN: 978-3839001448
Preis Printausgabe: 18,95€ [D]Preis ebook: 9,99€ [D] (Stand: 14.02.15)
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