Es passiert mir eher selten, dass ich in einem Visual Novel wie “Hamptom Court” alles daran setze, Single zu bleiben. Wenn allerdings Heinrich VIII. an der Protagonistin interessiert ist, sollte die vielleicht versuchen, möglichst schnell möglichst weit wegzulaufen.
Die Kerkertür fällt zu und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich gerade mein Glück verspielt habe. Erst vor ein paar Monaten habe ich, eine fremdländische Prinzessin, den englischen König Heinrich VIII. nicht ganz freiwillig geheiratet und wie das für Frauen an Heinrichs Seite eben läuft, war das keine besonders glückliche Ehe. Als ich später vor Gericht gezerrt werde, besiegelt jedes Wort meinen Untergang nur noch weiter. Cromwell will ganz offensichtlich meinen Untergang und klagt meine Hofdame Agnes, die für mich aussagt, genauso wie Diego, meinen Geliebten, direkt mit an. Oder anders gesagt: Da hätte besser laufen können.
Das Spiel, um das es geht, ist “Hamptom Court”, ein kleines Visual Novel über Heinrich VIII. und eine fremdländische, namenlose Prinzessin, die sich im Jahr 1539 an seinem Hof zurecht finden muss. Die Prinzessin selbst ist offenbar lose von Anna von Kleve inspiriert, aber damit, dass sich Heinrich in ihr Bild verliebt hat und Cromwell die Ehe vermittelt, enden die Gemeinsamkeiten dann auch schon. In meinem ersten Durchgang versuche ich noch, mir Heinrich vom Leib zu halten, und spiele zum ersten Mal ein Visual Novel mit Romance-Elementen mit dem verzweifelten Ziel, ja Single zu bleiben, am Ende hilft allerdings dann doch alles nichts. Heinrich will weitere Söhne und ist fest entschlossen, meine unglückliche Prinzessin zu seiner Königin zu machen. Eine Weile wehre ich mich und hoffe noch darauf, dass ich vielleicht einen Ausweg im Stil von Katharina von Aragorn schaffe und verbannt werde, aber schließlich ähnelt das Schicksal meiner Prinzessin dann doch eher dem von Anne Boleyn oder Catherine Howard. Na ja, blöd gelaufen. Neuer Versuch.
Beim zweiten Anlauf füge ich mich in meine Rolle und versuche stattdessen, mich geschickt durch das Leben bei Hofe zu schlängeln und Heinrich um meinen kleinen Finger zu wickeln. Das klappt auch erstaunlich gut, aber dafür verdamme ich die Prinzessin zu einem Leben an seiner Seite. Und während mir dieses Mal der Abspann verkündet, dass Heinrich tatsächlich in seine Frau verliebt war – seine Mätresse hat er ihr natürlich trotzdem ständig vor die Nase gesetzt – frage ich mich, ob die Variante mit dem Kerker nicht doch gnädiger gewesen wäre.
Und ein wenig scheint das auch der Punkt von “Hamptom Court” zu sein: Eine der Frauen von Heinrich VIII. zu sein, ist – vorsichtig gesagt – alles andere als angenehm und ein Spiel, das man nur verlieren kann, selbst wenn Teile der Handlung und Dialoge gleichzeitig noch so unterhaltsam sind. Das ist auch deshalb schön, weil sich das Spiel damit der Geschichte um Heinrich auf eine Weise nähert, die den Frauen selbst, symbolisiert durch die Protagonistin, mit einer eigenen Agenda darstellt, in die der König reingrätscht, weil er eben der König und noch dazu eben Heinrich ist.
Oder anders gesagt: Wenn Heinrich VIII. verkündet, dass er seit Monaten von dir träumt, ist es vielleicht doch ratsam, die Beine in die Hand zu nehmen.
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