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Deadpool: Anarchisch, schräg und definitiv awesome

28. Februar 2016
Deadpool Kritik

Foto: “Katja Jakob” / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by) http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/deed.de

Ich mag Superhelden nicht sonderlich und normalerweise kann ich das Theater um die Marvel-Filme auch nicht wirklich nachvollziehen. Überhaupt fand ich da zuletzt von denen, die ich so gesehen habe, eigentlich nur die “Captain America”-Filme ansatzweise gut, während der beiden “Thor”-Streifen habe ich mich nur an den Szenen entlanggehangelt, in denen Loki auftritt, und kommt mir ja nicht mit “Age of Ultron”. Auch die “Daredevil”-Serie fand ich auch eher so mäßig interessant und “Jessica Jones” war für mich u.a. deswegen so grandios, weil da eben nicht dick und fett der “Superhelden”-Sticker draufklebte. Oh, und bevor jemand auf die Idee kommt: Auch die X-Men sind eigentlich nicht so richtig mein Fall. Und jetzt schreibe ich eine Kritik zu “Deadpool”? Jap. Denn der ist awesome.

Story? Drehbuch? Wer braucht das schon!

Eigentlich habe ich auch “Deadpool” etwa bis Januar komplett ignoriert. Ein weiterer Superhelden-Film von der Stange? Kann schon, muss aber auch definitiv nicht. Und dann kam dieser Trailer. Großmäulig, anarchisch und so unendlich weit weg von dem weichgespülten Einheitsbrei, wegen dem ich den Film ursprünglich ignoriert habe. Überhaupt trifft diese Beschreibung auch ganz gut den gesamten Film: Deadpool wirbelt mit einem Haufen zweideutiger Witze, dämlichen Sprüchen und ganz viel schrägem Wahnsinn durch die Luft und erzählt dabei irgendwie eine Liebesgeschichte. Oder auch nicht.  Ist eigentlich auch egal, denn die Rahmenhandlung muss einen ohnehin nicht so richtig kümmern.

Denn auch wenn ich den Humor und die gesamte anarchische Art dieses Antihelden Deadpool selbst sehr feiere, hat der Film eine sehr simple, aber große Schwäche: Die Story.
Die ist nämlich nichts Halbes und nichts Ganzes. Irgendwie ein bisschen Romantik und Liebesgeschichtemäßig, damit in der Zielgruppe (nachdem bei der FSK-16-Einstufung schon Kinder nicht mehr reinpassen) nicht auch noch Frauen rausfallen, gleichzeitig natürlich auch kräftig Rache, Gewalt und was eben sonst noch so zu einem testosterongeladenen Helden gehört, oh, und irgendwo dazwischen geht es auch um die Frage, was ein (Anti-)Held denn jetzt eigentlich ist. Der Antagonist ist komplett austauschbar und farblos, wenn Deadpool nicht ständig seinen Namen krakeelen würde, könnte man glatt selbst den nach fünf Minuten wieder vergessen, und die eigentlich ganz cool wirkende Liebste in der Story, Vanessa, hat für mich deutlich zu wenig Screentime gehabt, um richtig spannend werden zu können. Dazu kommen noch ein paar Logikfehler und Unnötigkeiten im Storytelling, die mich irritiert zurücklassen und bei denen ich mich frage, was da jetzt eigentlich falsch gegangen ist, dass sich die Geschichte so faul und mäßig interessant entwickelt, und dann lässt sich auch die eigentliche Handlung wieder mit ordentlich Schwung in die Tonne hauen. Aber das macht nichts.

Denn da, in der Mülltonne der mittelmäßigen Drehbücher, liegt die Story eigentlich auch ganz gut und stört nicht weiter. Was an dem Film wirklich Spaß macht, sind die Dialoge, die Bilder und der Antiheld selbst. Blöde Sprüche, ganz viel Humor und damit verbunden schonungslose Ignoranz gegenüber der Tatsache, dass normalerweise Superheldenfilme doch einem ungeschriebenen Gesetz nach leichte Unterhaltung für die ganze Familie sein sollen. Diese Sprüche und eindeutig zweideutigen Witze sind alle für sich genommen relativ hohl, passen aber wieder zu diesem durchgeknallten Protagonisten, der Wade Wilson aka Deadpool eben ist. Leicht anarchisch, ganz bewusst das gesamte Genre immer wieder parodierend und provozierend. (Damit ist im übrigen “Deadpool” auch einer der wenigen Filme, in denen ich diese Sprache und Witze wirklich als Stilmittel erachte und nicht nur als das pubertäre gekicher eines gelangweilten Drehbuchautors.) Und das mag ich so unglaublich.

Super, aber eindeutig kein Held

Denn ich kann sie irgendwo nicht mehr sehen, diese shiny-glitzer Helden, die vielleicht nicht alles, aber doch das meiste richtig machen und am Schluss ein kaum zum eigenständigen Denken oder Handeln fähiges Mädchen bekommen, einfach weil sie mehr oder weniger dem strahlenden Ritter auf einem weißen Ross entsprechen. Dieser Heldentypus hat für mich z.B. mit Thor den absoluten Tiefpunkt erreicht, der charakterlich die Tiefe eines Wasserglases hat und bei dem ich nie verstanden habe, wie es kommt, dass eine offensichtlich intelligente Frau wie Jane es länger als fünf Minuten mit diesem Kerl aushält. Zumal das nicht nur ein Problem von Filmen ist, bei denen man ja noch argumentieren könnte, dass es eben auch schwer ist bei der dichten Handlung eines Actionfilms groß etwas an Figurenentwicklung herauszuholen, sondern das Problem haben auch Serien-Helden wie z.B. Oliver in “Arrow” und ein Stück weit auch Barry in “Flash”.
Und Deadpool ist das so wunderbare komplette Gegenteil. Wie er selbst immer wieder betont: Er ist super, aber kein Held. Er will es nicht einmal sein. Stattdessen will er cool aussehen und seinen Willen bekommen. Genau diese Haltung prägt den gesamten Film, dieser bewusst abgedrehte Wahnsinn, für den er steht und stehen soll, macht ihn trotz einer lahmen Story unglaublich unterhaltsam und witzig. Und das wiederum fand ich sehr erfrischend.

Lange Rede, kurzer Sinn: “Deadpool” ist für mich ganz eindeutig der beste Marvel-Film, der mir bisher untergekommen ist. Mit deutlichem Abstand vor Captain America und vor Iron Man, deren Filme ich sonst beide noch ganz unterhaltsam fand. Dass da auch ein bisschen unter den Blinden der Einäugige König ist, sollte klar sein, aber das macht nicht wirklich etwas. Der Film ist nicht perfekt und nicht tiefschürfend, sondern schlicht sehr gutes Unterhaltungskino. Ein Film zum Lachen, ein Film der Äußerlichkeiten, in dem es vor allem (und ganz bewusst) darum geht, dass jede Szene besonders gut und cool aussieht. Damit verbunden schlägt Deadpool auch förmlich regelmäßig die vierte Wand ein und spricht direkt zum Publikum, auch darüber, dass er jetzt endlich auch einen Film bekommen hat. Ein Film der witzig sein und eben einfach nur Spaß machen soll. Ein simples Ziel, das er aber erfüllt und wodurch er sogar einem Heldenmuffel wie mir sehr gut gefällt. Oder: Geht ins Kino. Jetzt. (Oder seht euch Deadpool  später auf DVD an.)

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  • Hekabe | www.geekgefluester.de
    1. März 2016 at 13:02

    Freut mich, danke 🙂

  • Frau Margarete
    1. März 2016 at 12:57

    Dem stimme ich absolut zu, aber du hast das viel besser ausgedrückt als ich es könnte 🙂 Tolle Rezension!

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Über mich und diesen Blog

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Aurelia Brandenburg - Historikerin und Bloggerin. Ich beschäftige mich meisten mit Mittelalter, Digital Humanities und Game Studies, nicht zwingend immer in dieser Reihenfolge. Auf Geekgeflüster schreibe ich seit 2012 über Popkultur, inzwischen oft aus einer feministischen Perspektive und manchmal auch über Popkultur und Geschichte, insbesondere Popkultur und Mittelalterrezeption. Außerdem schreibe ich auch für Language at Play. Auf Twitter findet man mich als @hekabeohnename.


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